Sonntag, 27. Mai 2012

Sherlock - Die Hunde von Baskerville









Wie Sie ja wissen, wird der MusikerSängerKomponist Peter Hammill von Aljoscha und mir :) sehr geschätzt, falls irgendeine der Menschheit noch unbekannte Waffe Hammills Output zerstören sollte: bei mir nachfragen, ich habe sein Lebenswerk an einem sicheren Ort. :) Jedenfalls, Peter Hammill hat schon 1979 einen Song namens "Porton Down" aufgenommen.



Interessant auch, daß die erste Platte von Hammills Band Van der Graaf Generator "The Aerosol Grey Machine" hieß, Strophe aus dem gleichnamigen Song:

You're walking along the road one day
Up comes a man dressed all in grey
He blows a little aerosol in your face
And you find your mind's all over the place

Ein Delirantium, das zu hoher Suggestibilität führt - mittels Aerosoldispersion! - Zwischenzeitlich hatte ich auch "Experiment IV" von Kate Bush im Sinn, ein Song, der zumindest auch vom Zusammenspiel von Mad Scientist und Militär handelt, ähnlich wie es von Projekt H.O.U.N.D. heißt: "Sie wollten es als Antipersonenwaffe einsetzen."




"We were working secretly for the military" / "They told us all they wanted was a sound that could kill someone from a distance" - another kind of experiment also, fand aber trotzdem bemerkenswert: Holmes findet dieses Experiment namens H.O.U.N.D. in seinem Gedächtnispalast wieder und sieht dann im Computer, daß es 1986 offiziell eingestellt wurde. Kate Bush hat "Experiment IV" 1986 veröffentlicht. :)

Aber irgendwie ist das, was für mich im Zentrum dieser Folge steht, das Verhältnis von Sherlock und John. Von "Ich habe keine Freunde, ich habe nur einen" über die Tatsache, daß Sherlock John als Versuchskaninchen benutzt, um seinen Verdacht mit dem Zucker zu prüfen (und daß Sherlock weiß und erwartet, daß John seinen Grimm darüber überwinden wird und muß, eben weil Watson der eine ist, der das kann und will), bis zu der Tatsache, daß Watson als einziger "Ein bißchen" hören darf (see below): this relationship itself, the chemistry.

Eine meiner Lieblingsszenen:
"Oh, bitte. Könnten wir das nichtmal lassen?"
"Was denn?"
"Sie tun immer so verdammt geheimnisvoll, mit ihren… Wangenknochen… und schlagen den Kragen hoch, um cool auszusehen…!"

Wunderbar. Als könnte Holmes seine Wangenknochen abstellen.  And now we get it, die Szene vorher: als Holmes und Watson CROSS KEYS BOUTIQUE ROOMS VEGETARIAN CUISINE ansteuern und Sherlock den Mantelkragen hochschlägt. Indignierter Blick von Watson. Sherlock: "Es ist kalt." Ende der Szene. :)

Wunderbar: Gary. Sieht aus wie der *grumpy innkeeper through the ages*, mit period costume könnte er in Hitchcocks "Jamaica Inn" auftauchen - "Hab kein Doppelzimmer mehr für euch, Jungs." Watsons ewige Prüfung: "Macht nichts, wir sind nicht…." - und dann entpuppt sich Gary selbst als Hälfte eines queer couple. "Schnarcht Ihrer auch?" - *kreisch*. :)

Beim zweiten Sehen fällt wieder auf, wie *meticulously consistent* alles läuft. Die "Wette" mit Fletcher, dem Touristenführer, und der sagt: "Ich hab ihn gesehen, vor einem Monat. War allerdings Nebel, ich konnte nicht viel erkennen." Danach "Man kriegt da ein ganz mulmiges Gefühl" und: wer weiß, was die seit Jahren auf uns draufsprühen. - Nebel, mulmiges Gefühl, draufsprühen - garantiert irgendwo in Sherlocks Gedächtnispalast abgespeichert. :)

Man könnte sogar denken, die Szene am Anfang, als Sherlock auf Nikotinentzug Henry Knight, erm, bittet, sich eine Zigarette anzuzünden ("Und jetzt halten Sie die Klappe und rauchen Sie!"), und dann - wenigstens Passivrauchen - ungebührlich nah an Henry den Rauch einsniffelt, ist nicht nur herrliche Sherlock-Exzentrik, die Szene ist fast schon metaphorischer clue. :)

Als Sherlock auf den Felsen bei Baskerville steht, dachte ich: Benedict Cumberbatch sollte irgendwann Heathcliff spielen, "Wuthering Heights". :)

Die Szene, in der Sherlock sich plötzlich doch für Henry Knights Fall begeistert, weil er - wenn ich es richtig verstehe -, Bluebell, das verschwundene leuchtende Kaninchen, damit zusammenbringt, daß Henry nicht "dog" sagt, sondern "hound" (verstehe ich es richtig: die deutsche Fassung muß da improvisieren, und geht in die Richtung: seltsam altmodische Aussprache von "hound"), und weil Projekt H.O.U.N.D. im Gedächtnispalast schon mal Zeichen gibt :), hat eine seltsame Extra-Ebene: als wäre Cumberbatch-Sherlock selbst Doyle-Fan, oder Fan der vielen Baskerville-Verfilmungen, plötzlich ("Hound!") inspiriert dadurch, daß es diese Verbindung mit ihm selbst gibt, daß auch er jetzt einen "Hounds/Baskerville"-Fall hat. :)

Wenn man nur die Szene am Kamin nähme, das Tempo, mit dem Sherlock John beweist, "Es ist alles in Ordnung mit mir", seine Deduktionen über die Witwe und den Fischer, nur diese Szene im Hinblick auf cinematography und editing würde reichen als Beweis, daß "Sherlock" ein 5-Gänge-Menu ist und der übliche Krimi aus Deutschland im Vergleich dazu eine leergekratzte Pommes-Schale. Aus Pappe.

Some favourites:

"Kabinettsumbildung…" - "Gibt's nichts Wichtiges?"

"Sie haben wieder Rubbellose gekauft!"

"Sind wir gerade in eine Militärbasis eingedrungen, um wegen eines Kaninchens zu ermitteln?"

"Die Frage ist nur, ging es dabei auch um Tödlicheres als Kaninchen." - "Das ist gelinde gesagt ein weites Feld."

"Oh, sehen Sie, da ist Schimmel."

Wie Sherlock Kaffeezubereitung simuliert. :)

Wie Sherlock "U.M.Q.R.A." sagt.

And like I said, das untrügliche Indiz dafür, daß …
"Also lagen Sie falsch."
"Nein."
"Mhm. Sie lagen falsch. Es war nicht der Zucker. Sie lagen falsch."
"Ein bißchen."
… Cumberbatch-Sherlock Steinbock ist: sein Tonfall bei "Ein bißchen." :)





Ja, alles ganz ausgezeichnet! :) Muss zugeben, dass „Baskerville“ was das excitement angeht, etwas abfällt neben „Belgravia“ und „Reichenbach“. Dennoch mochte ich „Baskerville“ schon immer besonders gern, als Roman und als Film. Und ja, die Beziehung Sherlock/John ist hier der Mittelpunkt, würde ich auch so sehen. Sehr schön, wie Sie sagen, „weil Watson der eine ist, der das kann und will“, genau, er will. Wie wir im Reichenbachfall dann ja auch hören, waren die 18 Monate mit Sherlock die beste Zeit seines Lebens. Komplementärnarzisst Watson hält ihn aus, auch weil er ihn braucht. Die Frauengeschichten sind lächerlich uninteressant gegen die atemberaubenden Abenteuer mit Sherlock, der wilde und unberechenbare Alltag mit ihm und allem, was dazu gehört. Nicht, dass Watson das selbst zugeben könnte. Er versucht immer wieder eine Frau faszinierend zu finden, aber sie bleiben nur flüchtige Vergnügungen, Ablenkungen, wenn Sherlock grad in seiner eigenen Welt unterwegs ist oder keinen Fall hat. Er genießt es, die Anmeldung im Gasthaus auszufüllen, auch wenn er immer wieder gegen den nun schon running gag „gay-couple“ angehen muss.


Sehr interessant, was Sie da an Parallelen gefunden haben, zur Aerosol-Droge und H.O.U.N.D. Sache. Denke, Peter Hammill wird den Produzenten auch nicht unbekannt sein. Von Kate Bush mal ganz abgesehen.

Was mich wundert, ist, dass Gatiss und Moffat es sich erlaubt haben, ungewöhnliche Dinge zu tun. Im Kommentar zur ersten Folge sagt einer von ihnen noch: „Imagine Sherlock driving a car!“ und daraufhin allgemeines Gelächter. Hier nun fährt er den Geländewagen zur Militärbasis.

It may be, but.. dachte, dieser Clue, dass Sherlock das altmodische Wort „hound“ registriert, stammt aus Jeremy Bretts „Baskerville“. Kann mich aber täuschen, im Originaltext taucht es nicht auf.

Auf der Fleischrechnung im vegetarischen Restaurant (ein Widerspruch, der sogar Watson auffällt..), steht als Lieferant „Undershaw“. Wohl das Haus, in dem Doyle den „Baskerville“ –Roman schrieb. Verfolgte grad via FB ein „Preservation Trust“- thing, es wurde ein e-book mit Holmes-Geschichten, von Fans verfasst, veröffentlicht und weitere Spendenaktionen ins Leben gerufen, um eben dieses Haus vor dem Abriß zu retten.


Im Reichenbachfall schlägt Sherlock wiederum den Mantelkragen zurück, um den Kindern keine Angst zu machen. Funktioniert aus bekannten Gründen ja nicht, aber die Verbindung zur Szene, die Sie oben beschreiben ist unverkennbar. Auch weil er im letzten Teil immer mal nachfragt, ob es passend sei, was er sagt. Die Beziehung wächst und gedeiht. :)










Ja, im Vergleich zu "Belgravia" und "Reichenbachfall" mag diese Folge etwas weniger exciting sein, geht mir auch so, im Vergleich zu "Baskerville" aber ist deutsches TV dann wieder so tattrig, daß man auch irgendwas schon Totes harpunieren möchte. Oha, ja, Zeit, Jeremy Bretts "Baskerville" auch wieder zu sehen. Mußte auch an Jeremy Brett denken, als Cumberbatch am Anfang dieser Folge Papiere im Zimmer umherschleudert.

Yes, Watsons Frauengeschichten, er weiß ja selbst, wie wenig sie ihm bedeuten, und steht deshalb auch bei der Hunde ausführen-Szene in "Belgravia" wie ein ertappter Schuljunge vor Jeanette. (Die von einer Chaplin-Enkelin gespielt wird.) Interessant aber schon auch, wie Sherlock das, was er tatsächlich tut (Johns emails an seine Freundinnen lesen), in einen glorios kuriosen Konjunktiv verpackt, der an dieser Stelle ziemlich aus heiterem Himmel kommt und der, auch wenn wir die Gereiztheit qua Drogenentzug abziehen, das Aufkeimen eines bis dahin völlig unbekannten Gefühls (eine Anwandlung von Eifersucht) ebenso verrät, wie er gleichzeitig die Qualität des Inkriminierten schon unmißverständlich macht: "Wollte ich lyrische Ergüsse hören, würde ich Johns emails an seine Freundinnen lesen."

Sherlock driving a car. :) Auch nur ein Schauplatz für das, was herauskommt, wenn man Screwball ins Britishness-Bad taucht. Wunderbar. "Ich (räusper) hab den schon ewig." (Mycrofts Ausweis). Oder Johns sarkastische Reaktion-der-Militärbasis-impersonation: "Kommt doch rein, das Teewasser kocht schon."

Ah, wußte ich auch nicht, das mit "Undershaw", danke! Bin ja mit den Original-Doyle-Geschichten nicht so vertraut wie Sie, manchmal aber doch genug, um z.B. hilarious zu finden, was in dieser Folge aus dem Kerzensignal in Doyles "Baskerville" wird. :)
Naja, Peter Hammill und Kate Bush waren eher Assoziationen, nicht unbedingt verbunden mit der Vermutung, daß es konkrete Einflüsse waren. Aber Produzenten, Autoren, speziell Gatiss in diesem Fall können diese Dinge ja ebenso in the back of their minds gehabt haben, als es darum ging, was man aus dem seltsamen Naturforscher bei Doyle macht.

Würden Sie übrigens sagen, daß in dieser "Baskerville"-Interpretation auch ein bißchen "The Devil's Foot" war? Wenn die Serie ein solcher Erfolg bleibt, wird es für die Autoren immer verwickelter. Ich meine, was machen sie, wenn sie dann tatsächlich bei "The Devil's Foot" ankommen? :)

Fand übrigens die Szene mit der Gasmaske / Sherlocks Moriarty-Vision tatsächlich ziemlich schaurig!

Ja, die Beziehung wächst und gedeiht. Sherlocks Euphorie über "Der Tatort ist gleichzeitig die Mordwaffe", Watson: "Sherlock. Das Timing." - "Nicht gut?"

Memo: "Ist gegen die Regeln." - "Dann sind die Regeln eben falsch!"






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